Print & PR-Agenturen und die Parasiten vom Dienst

Die Wirtschaft will glaubwürdige Medien, aber sie möchte nicht zahlen,

  schreibt Markus Wiegand in seinem Editorial im aktuellen „Wirtschaftsjournalist“.

Berlin – Schade eigentlich, dass der „Spiegel“ nicht bezahlen wollte, als das Klinikunternehmen von Ulrich Marseille kürzlich 199,20 Euro für die Beantwortung von neun Fragen forderte. Gerne hätte man gesehen, was die PR-Abteilung für den Schnäppchenpreis von sich gibt.

U. Marseille, der schon in der Vergangenheit nicht als Medienversteher aufgefallen ist, begründete sein ungewöhnliches Vorgehen auf kress.de so: „Warum sollen wir Fragen beantworten, die uns nicht betreffen, uns aber Arbeit machen? Und warum sollen wir das umsonst machen?“

Ja, warum eigentlich? Es gibt dafür betriebswirtschaftlich gesehen absolut keinen Grund.

Wahrscheinlich sollten Medienunternehmen endlich beginnen, ähnlich kühl zu kalkulieren wie Ulrich Marseille. Denn in den vergangenen Jahren haben viele Unternehmensvertreter zwar öffentlich gerne über den Zustand der Wirtschaftspresse gejammert, ihre Anzeigenbudgets haben sie dennoch zusammengestrichen und dafür lieber ihre PR-Etats hochgefahren. Bei einem Preis einer Anzeigenseite im „Handelsblatt“ von 54.200 Euro lohnt es sich immer, Menschen anzustellen, die Unternehmen mit ihren Botschaften gratis in den redaktionellen Teil drücken, statt für eine Werbefläche zu bezahlen.

Die Wirtschaft braucht glaubwürdige Medien, aber sie möchte sie nicht mehr bezahlen. Manche Unternehmen wie Apple sind meisterhaft darin, ihre Produkte fast ausschließlich über den redaktionellen Raum zu vermarkten. Man darf gar nicht darüber nachdenken, welches Anzeigenäquivalent Apple pro Jahr einfach so geschenkt wird. Jedes Mal wenn der Hersteller von Telefonen, Musikabspielgeräten und Computern irgendein neues Produkt auf den Markt wirft, hyperventilieren Tech-Journalisten auf der ganzen Welt und übernehmen freiwillig als Fanboys den Job der Marketingabteilung. Für Apple wäre es da ja geradezu dumm, Geld in Werbung zu investieren.

Im Grunde wird heute viel zu viel redaktioneller Raum einfach verschenkt: Autoartikel in Printmedien etwa oder Autosendungen im Fernsehen. Hinweise auf Finanzprodukte oder Reisen. Die Hoffnung dahinter lautet oft: Dafür kommt Werbung rein. Diese Hoffnung freilich erfüllt sich immer seltener. Daher beginnt ein Umdenken, wenn auch langsam. Es gibt inzwischen erste Zeitungen, die für Veranstaltungshinweise Geld fordern.

Die Frage, wie man mit seinem redaktionellen Raum umgeht, reicht bis zu Nischenprodukten wie diesem Fachmagazin. Die Redaktion wird beständig mit Bitten konfrontiert, Journalistenpreise im redaktionellen Teil bekannt zu machen oder auf Abgabefristen hinzuweisen. Während die Stifter der Preise oftmals gerne eine PR-Agentur dafür bezahlen, ihren Preis zu vermarkten, und ein anständiges Budget für Preisgelder, Jury und das edle Menü bei der Preisverleihung zur Verfügung stellen, soll die Aufmerksamkeit der Zielgruppe gratis rüberwachsen.

Es ist an der Zeit, härter zu werden und PR und Produktwerbung konsequenter aus den redaktionellen Inhalten rauszuhalten. Die Leser werden es danken – und das Anzeigengeschäft könnte es außerdem ankurbeln.

Eigentlich sollten wir Unternehmer Ulrich Marseille für dieses Editorial auch eine Rechnung schicken. Wir haben schließlich seinen Namen dreimal genannt. Ich finde, so etwa 199,20 Euro wären dafür angemessen.

Markus Wiegand
Chefredakteur vom Wirtschaftsjournalist. Das Editorial stammt aus der neuen Ausgabe.

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Quelle: newsroom.de

Über Karl-Heinz Hänel

Ich bin freier Reise- und Bild-Journalist, content creator und ein PR-Multiplikator, unterhalte meine Leser mit Product Placement und erzähle Geschichten in Wort und Bild, die ich selbst erlebt habe. Dafür bin ich redaktionell verantwortlich. Alle Angaben gemäß § 5 TMG finden Sie im Impressum und in meiner Vita
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