Auf die polnische Küche kommen wir noch zu sprechen

Sie ist für West- und Mitteleuropäer doch sehr üppig und kalorienhaltig
Typisch osteuropäische Landküche.

Am Frühstücksbuffet des Hotels in Ostmasuren jedenfalls fanden wir auf der Suche nach Marmelade oder Honig meist „nur“ kräftige Wurstscheiben oder Fischsalate.
Und wer mag sich schon morgens an Salzigem und Saurem, Eingelegtem, Mariniertem oder Gepökeltem laben? Es sei denn, er hat eine feuchtfröhliche Nacht hinter sich. Wir haben unseren Hotel-Buffets deshalb den Namen „Wodka-Frühstück“ gegeben.

Doch der Reihe nach. Die Rede hier ist von einer Individualreise durch Masuren. Zu zweit, mit einem Deutsch sprechenden Historiker als Fahrer und Fremdenführer in dessen klimatisiertem Privatwagen. Und das zu einem Preis, der nur um ein Drittel höher lag als eine reglementierte Gruppenfahrt für zwei Personen im Reisebus. Arrangiert wurde unsere 12-tägige Exkursion von einem bei Hannover ansässigen Veranstalter, und zwar entsprechend unseren Wünschen und Reisezielen. Und dies waren nicht die uns schon bekannten üblichen Touristenziele, sondern ehemalige Herrenhäuser, Schlösser und Adelssitze.
Dabei war für uns nicht entscheidend, wie sie den Krieg oder die Nachkriegszeit überstanden haben, sondern was aus ihnen wird oder schon geworden ist. Der Gesamteindruck lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Sie und das Land sind in guten Händen. Von der früher so gern zitierten „polnischen Wirtschaft“ keine Spur. Die Anreise am ersten Tag erfolgte von Berlin-Tegel nach Danzig, ein Flug von knapp etwas mehr als einer Stunde. Dort wartete schon Lech aus Elblag (Elbing), unser Betreuer für die gesamte Besuchszeit.

Danzigs Innenstadt, bei Kriegsende ein Trümmerfeld, ist als heutiges Gdansk längst aus Schutt und Asche wieder auferstanden, und inzwischen ein fast überlaufener Touristenmagnet mit Gästen aus aller Welt. Entsprechend sind die Preise wesentlich höher als im Inland. Unser erstes Ziel für die folgenden vier Nächte ist der kleine Ort Sople (zöpel), etwa 100 Kilometer südöstlich von Gdansk. Hier liegt das Dworek (Herrenhaus) Sople, ein liebevoll restaurierter Bau aus den 1920er Jahren. Im Krieg war er Heim und Hort für Kinder aus den vom Bombenterror heimgesuchten deutschen Städten.

Nach 1945 wurde er von russischem Militär „heruntergewohnt“ und verkam. „Wir haben Haus und grund der Gemeinde abgekauft und in jahrelanger Arbeit restauriert“, sagen die heutigen Eigentümer. Womit wir bei der polnischen Küche angelangt sind.

Gastronomie in Polen © Copyright by C.C.Troebst

Gastronomie in Polen © Copyright by C.C.Troebst

Sie ist verwandt mit der Küche der östlichen Nachbarländer und wie jene geprägt von den harten, langen Wintern des Landes: herzhaft, kräftig, nicht gerade mager, fleischreich. Beliebt als Mittags- oder Abendgericht ist Bigos (gesprochen Bigosch), ein Schmoreintopf aus Sauerkraut und Weißkohl mit verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten, eingelegten Waldpilzen und Gewürzen. Oder Zurek (gesprochen Dschurek), das Nationalgericht. Es ist eine über mehrere Tage zur Gärung gebrachte Sauerteigsuppe, aufgekocht mit Roggenschrot, Wasser, saurer Sahne, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Suppengemüse und angereichert mit hartgekochten Eiern oder Weißwurstscheiben. Serviert wird sie meist in einem geköpften, ausgehöhlten Brotlaib. Natürlich gehören je nach Saison auch Wild(schwein) oder Forelle auf den Tisch.

Das „Dworek Sople“ ist unser Ausgangspunkt für die Ziele der nächsten Tage. Lech holt uns morgens zur vereinbarten Zeit ab und bringt uns zu den Zielen unserer Wünsche.

Zum Beispiel zur Schlossruine von Schlodien, ehemals Sitz der Grafen zu Dohna. 1945 wurde Schlodien, noch unversehrt, von Soldaten der Roten Armee geplündert und anschließend zu einem staatlichen Produktionsbetrieb umgewandelt. Die in Warschau ansässige „Polnisch-Deutsche Stiftung zum Schutz des Kulturerbes im Ermland“ sammelt, plant und mahnt zum Wiederaufbau der Ruine und der Wiederherrichtung der verwilderten Parkanlagen. Slobity (Schlobitten), bis 1945 ebenfalls im Besitz derer zu Dohna, diente mit seinen 70 Zimmern und Sälen einst dem preußischen König auf dessen Reisen als Unterkunft. Nach dem Einmarsch der Sowjets wurde es durch Brandstiftung zerstört. Auch hier muss, sollte sich ein Investor finden, das ganze Ensemble rekonstruiert werden. Überall auf unserer Fahrt, die teilweise durch kilometerlange prächtige Eichen- oder Lindenalleen führt, bewegen wir uns durch historische Land- und Ortschaften aus der Geschichte Polens, Preußens, „ Groß-Deutschlands“ und der Sowjetunion. Etwa in Pazlek (Preußisch-Holland). Anno 1288 holte der Landmeister des Deutschen Ordens Deichbauexperte.

Aus den Niederlanden zur Eindeichung des Weichseldeltas ins Land. Viele ließen sich in der damals Pazluk geheißenen Siedlung nieder. Napoleons Truppen marschierten auf ihrem Weg nach Moskau durch die Stadt, sein Marschall Bernadotte quartierte sich in der Burg ein. Die Altstadt wurde bei Kriegsende von betrunkenen Rotarmisten abgefackelt. Immerhin steht die 1.200 Jahre alte Stadtmauer noch, die längste in Polen.

Oder Tannenberg, zwar bekannt geworden als Schlachtfeld im Ersten Weltkrieg mit Hindenburg als siegreichem Feldherren, doch 1410 wurden in einer gleichnamigen Schlacht die „edlen Ritter“ des Deutschen Ordens von Polen und Litauern geschlagen. Wir kommen durch Morag (Mohrungen) , der Geburtsstadt von Johann Gottfried Herder, dem Dichter, Philosophen und Theologen der Goethezeit. Auch Graf von der Goltz, im Ersten Weltkrieg als Goltz Pascha zu Ruhm gelangt, wurde hier geboren. In Ostróda (Osterode) haben die Polen in der Kirche eine kleine Dauerausstellung für einen anderen Sohn der Stadt zusammengestellt – für Hans Hellmut Kirst, bekannt geworden in Westdeutschland mit seinem Nachkriegs – bestseller „08/15“. In Neudeck, (heute: Ogrodzieniec) starb 1934 Reichspräsident Hindenburg.
Und noch ein viel Größerer trieb sich in der Gegend herum. Das war Napoleon, auf Schloss Finckenstein: Die heutige Ruine liegt etwa sechs Kilometer von Susz (Rosenberg) entfernt. Am fünften Tag verabschieden wir uns aus dem „Dworek Sople“ und fahren nach Mikolajky, (Nikolaiken), etwa 150 km weiter östlich. Die „Perle der Masuren“ liegt am Sniardwy (Spirding)-See, dem größten in Masuren. Auf dem Weg dorthin Wälder, weite Felder – und keine Hochspannungsleitungen oder „Augenwischer“ (Windkrafträder). Stattdessen Natur pur. An der Grenze zur russischen Enklave Königsberg einige Storchendörfer mit bis zu 30 Nestern, „denn drüben wollen sie nicht leben“, sagt Lech. Auffällig die VW-Polos einer Baureihe der 80-er Jahre. „Schmugglerautos“ werden sie genannt, denn sie haben einen 100 Litertank, der im Oblast Königsberg billig und legal mit Benzin gefüllt wird, das dann in Polen unter landesüblichem Preis wieder verkauft wird. „ Grenzameisen“ werden die Menschen genannt, die auf diese Weise ihr Einkommen verbessern.

An der Einfahrt von Mikolajky ein sechsstöckiger Hotelneubau eines polnischen Unternehmers, eine Monstrosität mit 1.200 Betten. Allein das Foyer, wo es allerdings die bekanntesten deutschen Zeitungen des Vortages gibt, hat die größe eines Busbahnhofs. Da geht es im zweistöckigen „Hotel Amax“ direkt am See schon ruhiger zu.
Dort liegen auch einige Restaurants, der Zander auf den Speisekarten ist schlicht zubereitet, aber schmackhaft. Doch wir erkunden weiter über die recht guten Straßen. Zum Beispiel Ryn (Rhein): Das zweitgrößte Ordensschloß des 14. Jahrhunderts ist heute Hotel, wieder auf- und ausgebaut von einem polnischen Hotelier. Das Restaurant im Gewölbekeller bietet eine internationale Küche, der gewaltige Rittersaal dient für Veranstaltungen aller Art. Man glaubt sich ins Mittelalter versetzt. Oder Schloss Kwitajny (Quittainen). Bis Januar 1945 war es im Besitz der Familie Dönhoff. Von hier flüchtete damals „die Gräfin“ Marion Dönhoff zu Pferde mit einem Teil ihrer Landarbeiter-Familien Richtung Westen. Schloss und Stallungen blieben unversehrt oder wurden restauriert. Auch in Steinort, dem Sitz des Grafen Heinrich von Lehndorff, erinnert eine Gedenktafel an den einstigen Besitzer. Als einer der Beteiligten an der Verschwörung des 20. Juli wurde auch er hingerichtet. Gebäude und Park sind beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner der näheren Umgebung. Auch hier gibt es Pläne für eine Restaurierung.

Zum Abschluss noch dies: Es gibt gute Straßenkarten für die einzelnen Woiwodschaften, auf denen die Orte neben der heutigen Bezeichnung den früheren deutschen Namen tragen. Dennoch raten wir von einer „Überlandfahrt“ im eigenen oder auch im Mietwagen ab, es sei denn man kennt den Weg oder ist der polnischen Sprache mächtig.

Nur jüngere Menschen können Englisch, und das auch meist nur in den größeren Städten.
Autor:  Cord Christian Troebst

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