Mit dem Titel: Luxe, calme et volupté (Überfluss, Ruhe und Genuss) bezieht sich jener berühmte Maler der Moderne, Henri Matisse (1869-1954) direkt auf den Refrain von Charles Baudelaires (1821-1867) berühmtem Gedicht: Einladung zur Reise, von 1857.
Wie der Poet in seinen Gedichten erschuf Matisse in seinem Gemälde eine wie aus der Zeit gefallene Idylle, die er in seine Gegenwart zu holen suchte. So basiert das Bild auf einem Gemälde, das Matisse im Sommer 1904 von seiner Frau und einem der beiden Söhne am Strand von Saint-Tropez anfertigte (siehe Titelbild).
Der Künstler verbrachte jenen Sommer in Gesellschaft des neoimpressionistischen Malers Paul Signac und experimentierte vor Ort mit der sogenannten pointillistischen Maltechnik. Zahlreiche flirrende Farbpunkte fügen sich in diesem Gemälde zu einer mythologisch anmutenden Szene. Von dieser Technik scheint Matisse aber nicht vollends überzeugt gewesen zu sein. Bald verwandelte er die Farbpunkte in größere Farbflächen – ein Schritt, der ihn bald darauf zum Fauvismus führte.
Sind Sie schon weit und viel gereist, schon einmal auf den Spuren anderer gewandelt? Auch wie so viele andere schon vor Ihnen, in das Land, wo die Zitronen blühen zum Beispiel? Nach New York, oder auf eine Trauminsel? Henri Matisse (…wer hätte das gedacht?) hat das alles getan.
Es war die künstlerische Suche nach dem idealen Licht, die Henri Matisse in besonderem Maße zu immer neuen Reisen veranlasst hat. Südfrankreich, Algerien und Italien ermöglichten ihm ein neues Erleben von Licht und Farben.
Von Paris und dem Norden Frankreichs, seiner Heimat, zog es ihn in den mediterranen Süden. In Nizza zog er anfangs von Hotel zu Hotel, offene Fenster mit dem Blick nach draußen und in die Ferne, sowie Balkone waren zu dieser Zeit sein Thema. Bald folgten Reisen nach Italien, Spanien und Nordafrika, Tanger und Ägypten. Dann eine in New York beginnende Reise quer durch die USA und in die Südsee. Er unternahm also viele Reisen innerhalb und außerhalb Europas und kam auch nach Russland. Er erlebte für ihn neue Naturräume, Kulturen und Bildtraditionen, die ihn beeinflussten.
Reisen und die damit verknüpften Erlebnisse des Lichts waren entscheidende Aspekte, die seine künstlerische Entwicklung vom fauvistischen Frühwerk bis hin zu den späten ikonischen Scherenschnitten prägte. So bildete das Reisen und das Atelier als Arbeitsort die beiden Pole, zwischen denen sich Henri Matisse‘ künstlerisches Schaffen entfaltete. Sein Leben und Œuvre waren den ständigen Wechselwirkungen zwischen den Reisen im In- und Ausland und dem sich Niederlassen an unterschiedlichen Arbeitsstätten bestimmt. Auch sind Erfahrungen, Erinnerungen und Objekte des Reisens ebenso zentrale Themen seiner Werke, wie es das Atelier als Ort der künstlerischen Produktion ist. Im Schaffen von Matisse ist das offene Fenster ein immer wiederkehrendes Motiv, in seiner symbolischen Bedeutung erweist sich insbesondere das offene Fenster als „Einladung zur Reise“.
Dieses Gemälde „Das offene Fenster“ entstand im südfranzösischen, nahe den Pyrenäen gelegenen Fischerdorf Collioure, wo Matisse 1905 zusammen mit seiner Familie und dem Malerkollegen André Derain erstmals den Sommer verbrachte. Dieser Aufenthalt gilt als entscheidend für die künstlerische Revolution, die zur Befreiung der Farbe vom Gegenstand führte. Kritiker prägten dafür den Begriff «Fauvismus», indem sie die avantgardistischen Künstler:innen um Matisse mit dem französischen Wort für «wilde Tiere» als «fauves» bezeichneten.
Turin © Succession Henri Matisse / 2024
Im Sommer 1907 unternahm Matisse zusammen mit seiner Frau Amélie eine Reise nach Italien und beschäftigte sich in Padua intensiv mit der spätmittelalterlichen Freskomalerei des italienischen Künstlers Giotto.
Einzelne hohe Bäume überdachen ein nur durch wenige stilisierte Formen angedeutetes Unterholz. Die vorwiegend in Violett-, Blau- und Grüntönen gemalte Landschaft erscheint als Verbildlichung einer Naturempfindung. Acanthes (Paysage marocain) ist eines von drei großformatigen Landschaftsgemälden, die während der ersten Marokko-Reise des Künstlers im Park Senya el Hashti, einem weitläufigen Anwesen in Tanger, entstanden.
„Einladung zur Reise“ – Der Titel für die Ausstellung in der Fondation Beyeler in Basel wurde vom Kurator Raphaël Bouvier gewählt und ist Teil des Ausstellungskonzepts. Das Gedicht stammt aus der Feder von Charles Baudelaire.
„Wenn man lange in der gleichen Umgebung gearbeitet hat, kommt einmal der Moment, wo es guttut, den gewohnten Gang der Gedanken durch eine Reise zu unterbrechen; eine Reise beruhigt gewisse Gedanken und lässt andere sonst vom Willen unterdrückte aufkommen“, so bemerkte einst Henri Matisse.
Noch nicht satt gesehen, inspiriert von den Lebens- und Reisestationen von Henri Matisse, lädt das Beyeler Restaurant im Park mit seinem Angebot zur kulinarischen Reise ein.
Der Museumsdirektor der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel und Kurator Raphael Bouvier laden zu einer genussvollen Reise durch das Werk von Henri Matisse in anregender Atmosphäre ein. Die aktuelle Ausstellung in Basel ist bisher zahlenmäßig die größte zu Henri Matisse‘ Bildern.
Diese einzigartige Ausstellung läuft noch bis zum 26.Januar 2025.
Zum Ausstellungsort: FONDATION BEYELER Beyeler Museum AG Baselstrasse 77, CH-4125 Riehen / Basel www.fondationbeyeler.ch
Wenn Sie nicht in die Ausstellung möchten, sei der Katalog empfohlen.