Umstrittene Website netzpolitik.org gerät zum Präzedenzfall an dem sich der Stand der digitalen Wende im deutschen Journalismus ablesen lässt. Zwar hat die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen das Online-Portal mittlerweile eingestellt. Doch die Diskussion über den Fall ist noch nicht beendet.
Zuletzt mischte Bodo Hombach, ehemaliger Verlagsmanager und Berater von Gerhard Schröder, mit einem Kommentar für das Nachrichtenmagazin „Focus“ in die Debatte ein.
Hombach: „Inflationierung beschädigt die Wirkmacht der vierten Gewalt“.
kress.de hat verschiedene Journalisten um ihre Meinung gebeten und sie dazu auch mit Hombachs Kommentar konfrontiert. Das sind ihre Reaktionen:
Kerstin Liesem arbeitet als Professorin für Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Sie erklärt: „Aus der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt sich Folgendes: Blogger können denselben Schutz genießen wie Journalisten traditioneller Medien. Dazu müssen sie zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen müssen sie zu Debatten von öffentlichem Interesse beitragen. Zum anderen müssen sie dieselben Sorgfaltspflichten erfüllen wie Journalisten traditioneller Medien. Dazu zählen zum Beispiel die gründliche Recherche oder die ausgewogene Darstellung von Tatsachen.“
„Journalisten dürfen Haltung zeigen, ohne diffamiert zu werden“
Joachim Dreykluft, Online-Chefredakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages meint: „Seien wir ehrlich: Die meisten von uns Journalisten recherchieren niemals in ihrem Berufsleben so tief, dass sie auf Informantenschutz und Zeugnisverweigerung angewiesen sind.
„Trennlinie zwischen Bloggern und Journalisten nicht sinnvoll“
Patrick Gensing arbeitet als Journalist bei tagesschau.de und berichtet für den Watchblog Publikative kritisch über die rechtsextreme Szene in Deutschland. Er schreibt: „Die grobe Trennung zwischen Bloggern und Journalisten erscheint mir in etwa so sinnvoll wie eine Differenzierung zwischen Online- und Printjournalismus – nämlich gar nicht.
„Der inhaltliche Anspruch ist in vielen Fällen niedrig“
Dr. Nikolaus Förster ist Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins „Impulse„. Er kommentiert: „Objektivität gibt es nicht, auch nicht im Journalismus – umso wichtiger ist es, dass Medien transparent machen, von welchen Interessen sie geleitet werden.
„Bei Bloggern kann man journalistische Grundregeln nicht als gegeben voraussetzen“
Andreas Theyssen schließlich ist als Journalist unter anderem für das Politikmagazin „Cicero“ tätig und außerdem Mitbegründer des Online-Debattierclubs „Opinion Club„. Er meint: „Gegen Inflationierung ist nichts zu sagen; das fällt unter Meinungsfreiheit.