Hast Du auch schon mal einen Geheimtipp bekommen, wo Du unbedingt noch mal hin müsstest?
Und warst Du, dort endlich angekommen, total enttäuscht? Ging uns auch so. Und doch gibt es Tipps, die Dank ihrer begrenzten Kapazität kaum negative Auswirkungen haben. Z.B. eine Flusskreuzfahrt ermöglicht Erlebnisse, die sind zahlenmäßig in Grenzen halten.
Neulich im ZDF: Die große Selfie-Jagd – Massentourismus durch Instagram
Zu den angesagtesten Geheimtipps zählen Orte, die in Filmen vorkommen.
Z.B. musste die Fjaðrárgljúfur-Schlucht gesperrt werden, nachdem Justin Bieber dort ein Musikvideo produzierte und die Fans wie eine Heuschreckenplage über die Natur hereinbrachen.
Fremdenverkehrsbüros bewerben nach Kräften die Drehschauplätze von Serien wie „Game of Thrones“. Wer zuerst kam, hatte noch das ultimative Erlebnis, wer jetzt kommt, findet sich neben internationalen Fans in einem konsumorientierten Disneyland wieder.
Die Zeit vergeht und diese „Places you must have seen“, werden zu Orten, die Du meiden solltest, oder sie zu einem antizyklischen Zeitpunkt aufsuchen. Warum, möchte ich Dir an Hand von ein paar persönlichen Erlebnissen beschreiben.
England
Als ich vor Jahren noch per Motorrad durch Südengland tourte, erlebte ich Mutterseelen allein einen grandiosen Sonnenaufgang zwischen den Monolithen der magischen Stätte „Stone Henge“. Heutzutage ist die Anlage eingezäunt und vor dem English Breakfast sind bereits zahlreiche Reisebusse an Ort und Stelle. Den Ort würde ich heute niemandem mehr empfehlen. Ebenso wenig wie Prag, Barcelona, Lissabon, Rom, Florenz oder Paris.
Kreta
Bald darauf flog ich mit meiner ersten Freundin nach Kreta. Wir fuhren mit dem Bus zum oberen Ende der Samaria Schlucht. Ab da wanderten wir, bepackt mit unseren Rucksäcken, durch die 17 Kilometer lange Schlucht in Richtung Mittelmeerküste. Da wir es am ersten Tag nicht bis zum Meer schafften, übernachteten wir in einem verlassenen Haus nahe dem Wanderpfad. Am nächsten Tag erreichten wir das Meer, fanden dort ein paar Tavernen vor und einen weiten Strand. Weitab von den Tavernen mündete ein Fluss im Meer. Hier campten bereits einige Aussteiger und wir packten unsere Schlafsäcke aus. Niemand machte Aufhebens davon, dass Touristen dort wild übernachteten und abseits der Tavernen ihrer FKK-Lust frönten.
Als ich 2 Jahre später meiner neuen Freundin dieses Paradies zeigen wollte, war alles anders. Um meiner neuen Freundin den langen Marsch durch die Schlucht zu ersparen, fuhren wir mit dem Fährschiff von Chora Sfakion zur Schlucht. Bei unserer Ankunft tobte ein starker Sandsturm und eine Übernachtung im Schlafsack kam für meine Freundin nicht in Frage. Jedoch waren auch alle Übernachtungsmöglichkeiten in den örtlichen Tavernen voll. Wir fuhren mit dem nächsten Schiff eine Bucht weiter, aber auch dort sah es schlecht aus. Am Ende, es wurde schon dunkel, hatte ein Grieche mit uns Mitleid und lies uns in einer gegen den Sandsturm geschützten Ecke in seinem Hof unsere Schlafsäcke ausbreiten. Hier waren wir nicht die einzigen, die die Nacht und den Sandsturm hinter uns bringen wollten, alle Kakerlaken des Ortes hatten denselben Plan. Am nächsten Tag mit dem ersten Schiff ging es zurück und mein einst erlebtes Paradies blieb auf der Strecke.
Heute liest man im Web über Europas längste Schlucht, dass täglich tausende hindurch laufen.
Thailand
Vor 18 Jahren machte Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle im Film „The Beach“ die Thailändische Bucht Maya Bay weltberühmt. Viele von Euch werden den Film noch kennen und dabei wird es bleiben müssen, denn die thailändische Regierung hat diesen einst paradiesischen Ort für die Öffentlichkeit gesperrt, um ihn nicht von den Heerscharen wildentschlossener Touristen ruinieren zu lassen.
Kambodscha
Meine heutige Lebens- und Reisepartnerin Marion wollte unbedingt die Tempelanlagen von Angkor Wat sehen. Ich muss zugeben, die Reise war ein High Light.
Allerdings waren die Tempel in Kambodscha vor dem Film mit Lara Croft „Tomb Raider“ noch rund um die Uhr frei zugänglich. Wir mussten zum Sonnenaufgang aufstehen, früh vor den Anlagen zur Stelle sein und vor den Eingängen warten, bis die Stunde zum Einlass geschlagen hatte, dann los rennen, um vor all den anderen noch einen Moment der Stille oder ein Foto ohne Menschenmassen zu erhaschen.
Toskana
Vor 14 Jahren veröffentlichte ich im Selbstverlag einen Toskana-Kalender mit den schönsten Landschaften der südlichen Toskana. Das Titelmotiv zeigte den Standort, an dem Russel Crowe als Hauptdarsteller im Film Gladiator zum Schluss seiner Frau und seinem Sohn ins Totenreich folgt. Um den Käufern meines Kalenders zu ermöglichen, selbst an diesen Ort zu gelangen, machte ich mit Book on Demand eine Broschur, die die Wegbeschreibungen und die Standorte der 13 Kalendermotive erklärte.
„Werbung”Denn zu dieser Zeit wurden Fotos in Reiseführern noch sehr selten mit Standortbeschreibungen versehen. In Zeiten von GoogleMaps unvorstellbar, 2006 aber wahr. Auf meiner Webside Blog.Liebhaberreisen.de hatte ich auch den Standort mitten in der Landschaft bei GoogleMaps markiert, für andere Fotobegeisterte und die, welche sich selbst in diese Traumlandschaft begeben wollten.
Als Marion und ich letztes Jahr wieder im toskanischen Pienza, einem unserer vielen Lieblingsorte, waren und zu dem oben beschriebenen Standort spazierten, staunten wir nicht schlecht, als wir sahen, dass vom nächst gelegenen Weg ein Trampelpfad an die von mir mitten im Feld gemarkte Google-Flag führte. Dass es so weit kommen würde, damit hatten wir wirklich nicht gerechnet.
Auf die Frage, ob es noch Geheimtipps gibt, meinte in einem Interview der erfolgreiche deutsche Reiseführerverleger Michael Müller: „Der Geheimtipp ist oft nicht mehr der Ort selbst, sondern die ideale Zeit, wann man dort sein sollte.“
Also nicht wo, sondern wann, ist ein Geheimtipp für ein mögliches vom Overtourism noch nicht als ad absurdum geführtes Reiseziel.
Marion & Karl-Heinz